Die Baugeschichte der Husenkirche

Quelle: Udo Hopf: Dokumentation zur bauhistorischen Untersuchung der Ruine der Husenkirche St. Georg in Bad Salzungen. Gotha 2009

Bauphase 1: Weihe 1161

Die ältesten erhaltenen sichtbaren Bauteile sind das Chorquadrat (Altarraum) und die Ostwand des Langhauses mit dem Triumphbogen einer Saalkirche. Der Chorraum war um eine Stufe erhöht. Die Hauptpforte aus Bauphase 3 weist nach Norden. Auch die romanische Pforte der Kirche muss an dieser Stelle gelegen haben. Das bedeutet, dass sich die Ortslage des Dorfes Husen in diese Richtung erstreckt haben muss. Nach dem Bauschema der romanischen Saalkirchen dieser Größe im 12. Jahrhundert besaß das Langhaus vermutlich drei hochgelegene Rundbogenfenster nach Süden und zwei rechts und links der Pforte nach Norden. Die bis auf die Fundamente abgetragene Apsis ist nach dem in der Ostwand noch sichtbaren, jetzt aber vermauerten Apsisbogen rekonstruierbar. Sie war 6,70 m breit und könnte sich nach Osten 4,10 m ausgedehnt haben. Der genaue Grundriss kann aber nur durch eine archäologische Sondierungsgrabung geklärt werden. Die Apsis war gegenüber dem Chor auch wieder um eine Stufe erhöht.
Nach den ältesten erhaltenen Bauteilen war die Husenkirche eine Saalkirche in der klassischen Staffelform mit Apsis, Chorquadrat und Langhaus. Gewöhnliche Dorfkirchen des 12. Jahrhunderts hatten eine Langhausgröße von 7 x 10 m. das Langhaus der Husenkirche aber besaß entsprechend seiner Bedeutung als Erzpriestersitz eine Größe von 10,30 x 14,9 m, hatte also die doppelte Grundfläche. Die Gesamtlänge der romanischen Kirche mit dem rekonstruierten Grundriss der Apsis müsste ca. 25,30 m betragen haben.
Die vorhandenen Bauteile lassen eine Datierung dieser Kirche in die 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts zu, die überlieferte Weihe von 1161 entspricht den baulichen befunden. Die Qualität der Bauausführung und die Größe des Bauwerks setzen die Anwesenheit einer Bauhütte und den Einsatz eines Kranes voraus.

Weihe 1161 / Langhaus 9 m x 15 m


Bauphase 2: 1250

Nach der dendrochronologischen Untersuchung (Holzaltersbestimmung) eines erhaltenen Rüstholzes erfolgte um 1250 der Umbau der gestaffelten Saalkirche in eine Chorturmkirche. Es wurde über dem Turm ein Zwischengeschoß und eine Glockenstube errichtet. Da das Langhaus damals eine Firsthöhe von ca. 11 m hatte musste der Turm bis zur Spitze proportional sein und mindestens 25 m hoch gewesen sein.
Bereits in dieser 2. Bauphase kam es zum Abbruch der Apsis, möglicherweise auf Grund statischer Probleme. Der Apsisbogen wurde vermauert und in die Ostwand wurden zwei romanische Lanzettfenster eingebaut. In der Chorsüdwand wurde ein weiteres Lanzettfenster eingebrochen.

um 1250


Bauphase 3: um 1350

Nach der dendrochronologischen Untersuchung des hölzernen Riegelkastens des Hauptportals der Kirche kam es in der Mitte des 14. Jahrhunderts zum vollständigen Neubau des Langhauses. Diesem Neubau vorangegangen war offensichtlich ein Erosionsereignis – wohl von 1342 – bei dem der gesamte Hang an der Südwand um mehr als 1,50 m mit Kolluvium aufgefüllt wurde. „Kolluvium“ bezeichnet Bodenmaterial, das durch Erosion von Hängen abgetragen und am Hangfuß oder in Senken abgelagert wurde. Entscheidend für diese Tatsache ist, dass sich das heute noch sichtbare Sockelgesims der Südwand des Neubaus bereits auf das neue Niveau bezog, während das neue Sockelgesims der Nordwand auf der Gründungshöhe der der Bauphase 1 lag. Der Baukörper des Langhauses besaß vermutlich etwa 1 m niedrigere Wände als heute. Die Firsthöhe betrug jedoch bei einem etwa 60 Grad steilen Westgiebel ca. 13 m.

um 1350


Bauphase 4: nach 1402

In der dendrochronologisch durch mehrere Rüsthölzer datierten Bauphase wurden die zwei dreibahnigen Spitzbogenfenster mit Fischblasenmaßwerk in der Ost- und in der Südwand eingefügt. Sie ersetzen die Lanzettfenster aus der Bauphase 2 (um 1250). Teile der Fenster wurden 1995 erneuert.

nach 1402


Bauphase 5: 1513

Literarisch sind für diese Zeit Bauarbeiten an der Husenkirche belegt, die sich auch dementsprechend kunsthistorisch einordnen lassen. Insbesondere erfolgte die Erneuerung und vermutlich auch die Erhöhung der Langhauswände um ca. 1.00 m. 2/3 des Westgiebels wurden ebenfalls neu aufgeführt, was vermutlich auf Standschwierigkeiten des hohen Giebels zurückzuführen war. Entsprechend sind die zwei diagonal gegen die Ecken der Westwand stehenden Strebepfeiler fast völlig abgetragen worden und mit einer Neuverzahnung in das Mauerwerk des Westgiebels neu errichtet worden. Mit der Aufstockung der Wände kam es zum Einbau der heute noch erhaltenen vier Langhausfenster. In dieser Bauphase wurde auch die neue Pforte in die Südwand eingebaut. In Folge dessen, dass der Ort Husen eine Wüstung geworden war, wurde der neue Hauptzugang nach Süden in Richtung der Leimbacher Straße gelegt. Auch die Sakramentsnische in der Nordwand des Chores ist in dieser Bauphase eingebaut worden.


Bauphase 6: 1557

Neuummauerung des Friedhofs. Einbau einer Nische in die Chorostwand. Einbau einer Kanzel an der Langhaussüdwand.

1557


Bauphase 7: 1615 – 1617

In dieser archivalisch und bauinschriftlich überlieferten Umbauphase kam es zum Abbruch des Chorturmes mit der Glockenstube und des Dachwerkes über dem Langhaus. Es wurde ein neues Dach errichtet mit einer Abwalmung des Westgiebels. Mit den Umbauten erhielt die Kirche anstelle der Holztonnendecke eine flache Holzbalkendecke mit drei Mittelstützen. Der darauf liegende Unterzug war über dem Scheitel des Triumphbogens und über dem Fenster in der Westwand eingelassen. In dieser Zeit wurden auch die Emporen an der West- und an der Nordwand eingebaut.
Im Laufe des 17. Jahrhunderts bekam die Husenkirche aufgrund der Nutzung als Bestattungsort sämtlicher Honoratioren der Stadt Salzungen eine reiche Ausgestaltung mit den Epitaphien und Gemälden zu den in der Kirche angelegten Grüften und Grabstätten. Die Kanzel wurde durch Margarete Jakobi aus Barchfeld gestiftet und war im südlichen Triumphbogen angebracht.
Die gelegentliche Erwähnung einer „Krypta“ unter dem Chorraum bezieht sich auf eine mit einer Treppe und Falltür zugängliche Gruft im Chorraum, die 1829 noch begehbar war: „Hinter dem Altar führt eine Falltür in die Gewölbe…“

1615-1617 Abbruch Turm, Neuer Dachstuhl / 1684 Emporeneinbau

Bauphase 8: 1684

In dieser Zeit wurde der Außenzugang zur Empore an der westlichen Südwand gebaut. Davon ist nur noch die siebenstufige Treppe mit Stufen nach Süden und Osten vorhanden. In dieses Jahr ist dendrochronologisch der Einbau einer Sängerempore über dem Altar an der Ostwand des Chores zu datieren. Dafür wurde ein Außenaufgang an der Nordwand des Chores errichtet. Mit dem Einbau des Sängerchores brach man einen weiteren Zugang für den Pfarrer unter der Empore in der Chorsüdwand ein.
Im Inneren wurden seit der Mitte des 18. Jahrhunderts viele Kranzkästen aufgehangen.


Bauphase 9: 1819

Nach der schriftlichen Überlieferung erfolgte in diesem Jahr ein Umbau der Kirche und der Um- bzw. Neubau der Friedhofsmauer. Dabei ist zu vermuten, dass der Emporenaufgang auf der Chornordseite von 1684 wieder vermauert worden ist. Nach den Eingriffen im Chorraum kam es offensichtlich bis in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts zu keinen weiteren Umbauten mehr, die in die Substanz der Kirche eingriffen.