Kirchengeschichte

Die Geschichte der Husenkirche

Quelle: Udo Hopf: Dokumentation zur bauhistorischen Untersuchung der Ruine der Husenkirche St. Georg in Bad Salzungen. Gotha 2009

Die Husenkirche verdankt ihren Namen dem Ort Husen (Hausen), der sich einst vor den Toren Salzungens befand. Die Siedlung lag in der Werraaue, nördlich des heutigen Husenfriedhofs, und wurde im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts aufgegeben.

Die nachweisbare Geschichte der dem heiligen Georg geweihten Husenkirche setzt im 12. Jahrhundert ein, auch wenn das nahe liegende Salzungen bereits in karolingischer Zeit 775 Erwähnung findet: Karl der Große übertrug die königliche VILLA SALSUNGA an das Kloster Hersfeld.

Der Überlieferung nach, soll die Husenkirche von Bonifatius gegründet worden sein. Es gibt aber bis jetzt keinen Nachweis dafür. Zwar wird bereits in älteren Chroniken ein hohes Alter der Kirche vermutet (Johann Ludwig Heim: hennebergische Chronik von 1767 (…welche wohl eine von den Aeltesten seyn mag..), der Bezug auf Bonifatius jedoch beruht erst auf einer Äußerung in den Bau- und Kunstdenkmalen Thüringens von 1910 (Georg Voß, SLZ S. 19) „…so muss die Husenkirche in ein höheres Alter hinaufreichen, als man insgemein annimmt. Wir möchten der Vermutung Raum geben, daß das Kloster Hersfeldt, welches 775 in diesen Gegenden Fuß faßte, schon damals es sich angelegen sein ließ, einen Andachtsort für Gläubige zu gründen, wenn man sich darunter auch nur ein schlichtes Holzkirchlein vorzustellen braucht.“

Während Georg Voß 1910 das als Vermutung einstuft, für die es weder archäologische noch schriftliche Nachweise gibt, geht der Dehio Thüringen von 1998 noch einen Schritt weiter mit der Feststellung (nicht mehr Vermutung) „Holzkirche 724 von Bonifatius geweiht…“ ohne allerdings die Quelle dieser Behauptung zu nennen. Der Nachweis für einen durchaus möglichen älteren Vorgängerbau könnte nur durch eine archäologische Untersuchung erbracht werden, sofern nicht der gesamte Untergrund des Kircheninnenraumes durch jüngere Grufteinbauten gestört ist.

Der Ort Husen gehörte entsprechend der kirchlichen Organisation zum Gebiet des Erzbistums Mainz. Nach der regionalen Überlieferung war die St. Georgskirche angeblich die Ur- oder Hauptkirche der Salzunger Mark mit Filialkirchen in Langenfeld, Leimbach, Fackenroda, Hermannsroda, Allendorf, Unterrohn, Witzelroda und Möhra.

Anfang des 12. Jahrhunderts wurde die kirchliche Einteilung in Thüringen so strukturiert, dass vier Archidiakonate gebildet wurden: Erfurt St. Marien, Erfurt St. Severi, Oberdorla und Jechaburg. Unsere Gegend gehörte zum Archidiakonat Oberdorla. Das Archidiakonat Oberdorla gliederte sich wiederum in 14 Erzpriestersitze (Sedestitelorte), wobei diese Einteilung in Sedessprengel mit einem Erzpriester an der Spitze auch schon früher erfolgt sein kann. Einer dieser 14 Erzpriestersitze im Archidiakonat Oberdorla war Husen. Der Sedessprengel Husen umfaßte sämtliche Kirchen im Gebiet von Salzungen, Breitungen, Dorndorf, Tiefenort, Ettenhausen, Schweina, Gumpelstadt, Lengsfeld, Barchfeld und bildete damit den größten Sprengel im Archidiakonat Oberdorla.

Folgerichtig kam es im 12. Jahrhundert zum Bau einer repräsentativen steinernen Kirche. Nach der Überlieferung veranlasste den Kirchenbau der Abt Willibald von Hersfeld (Abt 1155-1162). Die Weihe im Jahr 1161 erfolgte durch den Bischof von Schleswig, der vermutlich auf der Durchreise zum Reichstag in Lodi hier war.

Eine von verschiedenen Geschichtsschreibern erwähnte Tafel über einer Tür der Kirche, die 1829 aber schon nicht mehr vorhanden war, soll an die Weihe durch den Schleswiger Bischof erinnert haben. Eine andere Inschrift am nordwestlichen Strebepfeiler lautet übersetzt: „Am Tage des Kreuzes im Jahr 1195 (oder 1197)“ Sie deutet wie auch die eben genannte nicht mehr vorhandene Tafel auf eine später angebrachte Inschrift hin, die auf ein Ereignis in der Frühzeit hinweist.

1258 wird die Kirche zu Husen in einer Urkunde des Adelsgeschlechts der Frankensteiner genannt. In einem Kaufbrief von Ludwig und Sebotho von Frankenstein vom 10. August 1330 wird der Friedhof von Husen erwähnt.

1341 erfolgte die Übergabe des Patronats über die St. Georgskirche an das Kloster Frauensee durch den Erzbischof von Mainz.

Nach der Stadtgründung Salzungens im 13. Jahrhundert wurden die Bewohner der angrenzenden Dörfer sukzessive in der Stadt angesiedelt und die Gemarkung des Dorfes Husen in das Stadtgebiet integriert.

1412 ist Heinrich Müller Pfarrer zu Husen.

1479 erfolgt durch Friedrich Gemmert, den Propst zu Breitungen, eine Stiftung an die Husener Kirche.

Nach verschiedener Überlieferung fand vor 1483 in der Husenkirche die Trauung der Eltern Martin Luthers, Hans Luder und Margarete Lindemann, statt, die in Möhra wohnten.

Im Mainzer Subsidienregister für Thüringen von 1506 wird für die Husenkirche eine Vikarie am Altar des Hlg. Sebastian erwähnt, die Johannes Heymbrecht innehat.

Spätestens im 1. Viertel des 16. Jahrhunderts erfolgte die endgültige Aufhebung des Dorfes Husen. bei der ersten reformatorischen Visitation im Jahr 1533 wird die Kirche noch als Lehen des Klosters Frauensee geführt. Nach der zweiten Visitation 1536 erfolgte die Aufhebung des Pfarramtes zu Husen und die Vereinigung mit dem Stadtpfarramt St. Simplicius. Der letzte Pfarrer von Husen, Werner Oswald, wurde Diakon der Stadtgemeinde und starb 1551. Damit hatte die Husenkirche ihren Status als Pfarrkirche verloren und wurde seitdem nur noch als Friedhofskirche genutzt.

1557 wurde der Friedhof neu ummauert.

1561 wurde am Neuentor, einem alten Salzunger Stadttor, eine Uhr angebracht. Die Glocke dazu wurde der Husenkirche entnommen. Neben dem nördlichen Eingang war 1829 noch eine Inschrift von 1564 sichtbar.

Der letzte umfassende Umbau der Husenkirche fand zwischen 1615 und 1617 statt. Das ergibt sich aus einer Inschrift auf dem Kreuz des Turmknopfes von 1615 und der Notiz von 1617: …die renovierte und fast neu erbaute Husenkirche wird aufs Neue geweiht…“.

Nach dem Bau einer neuen Friedhofskirche mit Krematorium im Jahre 1909 verlor die Husenkirche weiter an Bedeutung. Renovierungsarbeiten erfolgten in den Jahren 1933 – 1937.

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges, am 31. März 1945, erlebte die Husenkirche ihren Schicksalstag. Der Vormarsch der 3. US-Armee unter General Patton war von ständiger Tieffliegertätigkeit der US-Airforce begleitet. Der Treffer eines Jagdbombers auf einen Munitionszug am Güterbahnhof hatte für die Stadt und die Husenkirche verheerende Folgen.

Dazu liegt ein Augenzeugenbericht vor:

Gilbert Häuser war 15 Jahre alt. Eigentlich besuchte er die Handelsschule in Eisenach, aber der Unterrichtsbetrieb war schon seit Monaten, seit Ausrufung des „Totalen Krieges“ durch die Hitlerregierung, geschlossen und er war dienstverpflichtet zur Rüstungsarbeit bei der Firma Schmöle & Co. in Immelborn, dem späteren Hartmetallwerk; damals wurden dort Zünder für Flakgranaten hergestellt. Die Jungen und auch einige Mädchen waren bei der Feuerwehr. Wenn es Fliegeralarm gab und die Sirene ertönte, mussten sie sich schnellstens im Ratskeller melden.

Am Ostersonnabend, dem 31. März 1945, heulten die Sirenen. Tiefflieger kreisten über der Stadt. Erste Tote gab es bei dem Bombenabwurf auf das Hintergebäude des Hotels Waeltz (heute steht dort das Hotel Solewerk). Dann wurde Dr. Schweikardts Haus in der Bahnhofstraße, in dem sechs Familien (16 Personen) wohnten, zerstört (heute Parkplatz). Gilbert half, eine schwerverletzte Frau aus den Trümmern zu ziehen, doch sie überlebte nicht.

Er eilte weiter zum Bahnhofsgelände. Wie immer stand dort auf dem letzten Gleis auf der Seite zur Werra hin ein Munitionszug mit Vierlingsflaks auf dem ersten und dem letzten Wagen. Tiefflieger hatten ihn beschossen, die beiden mittleren Waggons brannten. Die Lok zog den Zug aus dem Bahnhofsgelände hinaus in Richtung Leimbach und die jungen Feuerwehrleute richteten den Wasserstrahl darauf, um zu löschen. Da sah Gilbert zwei sehr tief fliegende Jagdbomber über den Kirchturm von der Stadt her kommen, schmiss die Spritze weg, rannte über den Friedhof, sprang über die Friedhofsmauer und warf sich jenseits der Mauer in deren Schutz auf die Erde. Eine gewaltige Explosion erdröhnte, der Munitionszug wurde in die Wiesen geschleudert, verbogene Eisenbahnschienen flogen bis in die Höhe des Versuchsfeldes an der Langenfelder Straße. Die Bahnanlagen auf dem Gelände der Güterabfertigung waren völlig zerstört; der entstandene Krater hätte die evangelische und die katholische Kirche fassen können, so groß war er.

Als Gilbert sich endlich aufrichtete und seine Kameraden Erich Kaiser, Helmut Mäurer und Lotti Beyer suchte, fand er sie tot. Die ungeheure Druckwelle hatte dem einen ein Bein, den anderen die Lunge zerrissen. Ihm selbst waren die Trommelfelle geplatzt, sonst aber war er heil geblieben; die Friedhofsmauer hatte ihm Schutz geboten. Das Dach der Husenkirche, die er ein Jahr zuvor noch mit der Klasse besichtigt hatte, war in sich zusammengestürzt.